Bremer Bündnis für deutsch-tschechische Zusammenarbeit

Ostwärts in den Westen

Die Flucht von DDR-Bürger:innen über die bundesdeutsche Botschaft in der ČSSR im September 1989

Ausstellung
17.04. – 05.07.2024
DFG-Graduiertenkolleg 2686:
Contradiction Studies
Grazer Str 2.
28359 Bremen

Herausgeber
Bremer Bündnis für deutsch-tschechische Zusammenarbeit e.V.

Diese Ausstellung wurde konzipiert
und umgesetzt von

Libuše Černá
Natalia Wollny
Klaas Anders
Manja Herrmann
Sabine Andrae

Interviews und Texte
Natalia Wollny
Klaas Anders

Portraitbilder
Manja Herrmann

Bilder aus der Botschaft
Josef Ptáček

Historische Bilder der Zeitzeug:innen
Die Rechte liegen bei den jeweiligen Zeitzeug:innen

Gestaltung und Umsetzung
Hrdina Pavlík
Sabrina Glasmacher

Für wichtige Impulse bedanken
wir uns ebenfalls bei

Hans-Joachim Weber
Dr. Ulrike Huhn
Tilman Rothermel
Tobias Pollok
Lena Prötzel
sowie den beteiligten Zeitzeug:innen

“Wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise…”,

so begann Hans-Dietrich Genscher einen der bekanntesten Sätze der deutschen Zeitgeschichte. Noch heute sind die Bilder der jubelnden Menge in den Abendstunden des 30. September 1989 im Palais Lobkowitz, der bundesdeutschen Vertretung in Prag, sehr präsent. Für die “Prager Botschaftsflüchtlinge”, wie sie genannt wurden, stellte dieser Moment einen bedeutenden Wendepunkt in ihrem Leben dar. Im Sommer und Herbst 1989 verließen tausende Bürger:innen die DDR in dem Versuch, über die bundesdeutschen Vertretungen in Budapest, Prag und Warschau in die BRD auszureisen. Die Unzufriedenheit der Menschen in der DDR war groß: Der kontinuierlich autoritäre Regierungsstil der SED-Führung und ihre Ignoranz gegenüber den Reformen in der Sowjetunion, in Polen und in Ungarn mündeten in eine seit dem Mauerbau nie dagewesene Fluchtwelle.  Die Fluchtgeschichte dieser Menschen ist Teil der Friedlichen Revolution 1989, die zur Öffnung der Berliner Mauer und der deutsch-deutschen Grenze führte. Dennoch werden die Erlebnisse der sogenannten Botschaftsflüchtlinge im Angesicht des Revolutionsgeschehens in der DDR noch oftmals nachrangig behandelt.

Die bundesdeutsche Vertretung in Prag erschien vielen Menschen im Sommer und Herbst 1989 als letzte Hoffnung, in den Westen ausreisen zu können. Die Tatsache, dass für die Einreise in die Tschechoslowakei kein Visum, sondern nur der Personalausweis vonnöten war, bestärkte viele Ausreisewillige in ihrem Entschluss, den Weg nach Prag einzuschlagen. Als die Botschaft am 23. August 1989 wegen Überfüllung schließen musste, kletterten immer mehr Menschen über den Zaun in den Botschaftsgarten. Ende September waren bereits etwa 4000 Menschen in der Botschaft, die auf diese Menschenmenge nicht vorbereitet war. Die humanitäre Situation verschlimmerte sich zusehends. Nach wochenlangem Druck vonseiten der Bundesrepublik auf die DDR-Führung und vertraulichen Gesprächen, die Außenminister Hans-Dietrich Genscher am 29. September 1989 mit seinen Kollegen aus der DDR, ČSSR und UdSSR und den USA in New York im Rahmen der UN-Vollversammlung führte, wurde die Ausreise der Menschen in der Botschaft bewilligt.  Mit mehreren Sonderzügen wurden sie in der Nacht des 30. Septembers über DDR-Gebiet in das bayerische Hof gefahren. Bereits am nächsten Morgen füllte sich die bundesdeutsche Botschaft in Prag erneut mit Ausreisewilligen aus der DDR. Zwischen dem 4. und 5. Oktober wurden abermals über 5000 Geflüchtete in die Bundesrepublik gebracht.

Diese Ausstellung widmet sich den Schicksalen von 13 Menschen, deren Flucht sie in das Palais Lobkowitz in Prag führte. Ihre Gründe, die DDR zu verlassen, waren vielfältig. Oft standen eingeschränkte berufliche Entfaltungsmöglichkeiten im Vordergrund. Aber auch der Wunsch nach Reisefreiheit oder die Angst vor Verfolgung, Repressalien und womöglich Inhaftierung spielten bei der Entscheidung, der DDR den Rücken zu kehren, eine grundlegende Rolle. Knapp 32 Jahre später blicken diese Zeitzeug:innen auf die Verhältnisse in der DDR, ihren Fluchtweg und den Aufenthalt in der bundesdeutschen Botschaft zurück und reflektieren die Einflüsse ihrer Fluchtgeschichte auf ihre gegenwärtige Lebenssituation. Entstanden ist eine Ausstellung, die aus der Gegenwart auf die Ereignisse im Sommer und Herbst 1989 zurückblickt und ein entscheidendes Kapitel nicht nur der deutsch-deutschen, sondern auch der deutsch-tschechischen Geschichte in Erinnerung ruft.

Die folgenden Texte sind aus transkribierten Passagen mündlicher Interviews entstanden. Die Interviews wurden durchgeführt zwischen Juli und September 2021.

Gefördert durch

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Adresse

Am Schwarzen Meer 119
28205 Bremen